Mädchen, Frau, etc.

Nachdem der deutsche Titel (englisch lautet er Girl, Women, Other) zunächst abgeschreckt hatte, finde ich das Buch sehr spannend. Es erzählt von miteinander verwobenen Leben von zumeist Schwarzen Frauen zwischen 19 und 93 Jahren, manche lesbisch, manche hetero, die meisten cis und einer "genderfreien" Person namens Morgan (im Gegensatz zum Titel ist dies keine schlechte Übersetzung; im Original bezeichnet sich die Person als genderfree) mit Pronomen sier (im englischen Original they). Zwar ist in Bezug auf Morgans Partnerin Bibi von dieser als "Mädchen im Körper eines Jungen" die Rede, doch da die beiden ansonsten gut portraitiert sind und von trans* Frau, trans* Mann, nicht-binär und weiteren Geschlechtsidentitäten die Rede ist, kann ich darüber hinwegsehen.

Offen und zugleich kritisch wird von ihren unterschiedlichen Ansichten inklusive Vorurteilen geschrieben, wodurch u. a. Homo- und Trans*feindlichkeit wie auch Rassismus thematisiert werden. Da entstehen dann schöne Sätze wie "die Frau ist homophob, auch wenn sie sich nicht outet". Leider gibt es neben dem Titel wohl (siehe hier) weitere nicht gelungene Übersetzungen: brown wurde zu dunkelhäutig. tawny zu milchkaffeefarben - Letzteres erklärt die Übersetzerin allerdings in einem Interview.

Trotz dieser Kritik finde ich die Übersetzung insgesamt für Menschen, die lieber auf Deutsch lesen, empfehlenswert. Die englische Originalausgabe gibt es hier.

Verlagsbeschreibung:

Die Dramatikerin Amma steht kurz vor dem Durchbruch. In ihrer ersten Inszenierung am Londoner National Theatre setzt sie sich mit ihrer Identität als schwarze, lesbische Frau auseinander. Ihre gute Freundin Shirley hingegen ist nach jahrzehntelanger Arbeit an unterfinanzierten Londoner Schulen ausgebrannt. Carole hat Shirley, ihrer ehemaligen Lehrerin, viel zu verdanken, sie arbeitet inzwischen als erfolgreiche Investmentbankerin. Caroles Mutter Bummi will ebenfalls auf eigenen Füßen stehen und gründet eine Reinigungsfirma. Sie ist in Nigeria in armen Verhältnissen aufgewachsen und hat ihrer Tochter Carole aus guten Gründen einen englischen Vornamen gegeben.

Auch wenn die Frauen, ihre Rollen und Lebensgeschichten in Bernardine Evaristos Mädchen, Frau etc. sehr unterschiedlich sind, ihre Entscheidungen, ihre Kämpfe, ihre Fragen stehen niemals nur für sich, sie alle erzählen von dem Wunsch, einen Platz in dieser Welt zu finden.