Rezension des Ratgebers "Transgender und Intergeschlechtlichkeit bei Kita-Kindern"

von Katja Anton Cronauer

Erschienen auf queer.de am 14.4.2020.

Der neue Ratgeber "Transgender und Intergeschlechtlichkeit bei Kita-Kindern" von Inga Becker-Hebly enthält Lücken und verharmlost von Eltern angeordnete Operationen an intergeschlechtlichen Kindern.

Der Ratgeber "Transgender und Intergeschlechtlichkeit bei Kita-Kindern" von Inga Becker ist klein und handlich. Ich erwarte von dem Heft, das sich an Erzieher*innen und Eltern richtet, schnelle, leicht verständliche Aufklärung.
Auf Seite 20 steht dann auch prompt, dass intergeschlechtliche Menschen (ob bei nur manchen oder vielen wird nicht gesagt) "über eventuell stattgefundene operative Maßnahmen im Kindesalter ihr Leben lang traurig waren". Auf Seite 21 wird hinzugefügt, dass "sich eine Operation im Kindesalter nachträglich auch wie eine Kastration oder ein Missbrauch anfühlen kann" und dass "sich mögliche psychische Folgen einer frühen Operation, der man als Kind nicht selbst zustimmen konnte, nur erahnen" ließen.
Aha. Schon mal ein paar der vielen Erfahrungsberichte intergeschlechtlicher Menschen gelesen? Statt "traurig" wäre "traumatisiert" besser. Und was ist mit den physischen Problemen, die auf solche Operationen, oft lebenslang, folgen? Die werden besser nicht erwähnt.

Operationen an Kindern nicht völlig ausgeschlossen

Dann schreibt Becker-Hebly ganz richtig: "Die absolute Mehrzahl von intergeschlechtlichen Kindern braucht kurz- oder langfristig keine medizinische Behandlung" (Seite 34). Optimistisch wie ich bin, hoffe ich, dass nun doch noch darauf eingegangen wird, dass in all diesen Fällen von Operationen an Kindern absolut abzusehen ist. Doch schon im nächsten Absatz folgt: "Manche Eltern wünschen sich dennoch eine medizinische oder chirurgische Angleichung des Geschlechtsmerkmals" (Seite 34). In diesen Fällen empfiehlt Becker-Hebly lediglich "psychosoziale Expert*innen zur Unterstützung einzubeziehen" (Seite 34). Damit diese den Eltern diese Kindeswohl-gefährdende Operationen ausreden? Dazu steht leider nichts weiter da.
Eine sehr fragwürdige schnelle Hilfe. Da die Literatur und Leseempfehlungen am Ende des Büchleins eine sehr gute Auswahl darstellen, kann ich mich nur fragen, ob Becker-Hebly diese selbst gelesen hat.

Inga Becker-Hebly: Transgender und Intergeschlechtlichkeit bei Kita-Kindern. Die schnelle Hilfe. Ratgeber. 48 Seiten. Cornelsen Verlag. 2020. Taschenbuch: 7,99 €, ISBN 978-3-589-16649-7.

Katja Anton Cronauer ist Autor, Übersetzer, Künstler und betreibt den Webshop trans*fabel.
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