OpferMacht

Klartext reden über sexualisierte Gewalt

In dem neu erschienenen Buch „OpferMacht - Klartext reden über sexualisierte Gewalt“ beschäftigt Autorin Nora Kellner sich mit sexualisierter Gewalt als Erfahrung, die sie selbst durchlebt(e), als gesellschaftliches Phänomen, und als Mittel von Unterdrückung und Gewalt. Sie zeigt, wie sexualisierte Gewalt einerseits zutiefst in die persönliche Lebenswelt und die Selbstwahrnehmung der Betroffenen eingreift, und andererseits immer auf größere politische Machtverhältnisse verweist und diese aufrecht erhält.
Im ersten Teil des Buches liegt Kellners Fokus auf einer selbst durchlebten Situation. Vom Übergriff nach einer Party über die Unterstützung von Freund*innen, den Kontakt mit Behörden bis zur Gerichtsverhandlung zeichnet die Autorin ein Bild, in dem sowohl Krisen und Zweifel, Verzweiflung über Unrecht und Grenzüberschreitungen, als auch Klarheit, Wut, Lebendigkeit und Liebe Platz haben.
Zwischen den erzählenden Passagen eingestreut hören wir Stimmen anderer Autor*innen, die über sexualisierte Gewalt sprechen, sowie Statistiken zu Sexualstraftaten und Überlegungen zu Begrifflichkeiten, wie etwa dem Wort „Opfer“.
Zum Ende des ersten Teils geht Kellner auf die rassistische Instrumentalisierung von sexualisierter Gewalt durch konservative und rechte Kräfte ein - und wie dies, zusammen mit Abwehr und Ignoranz, fehlendem Wissen oder gutgemeinten Ratschlägen, das Sprechen über sexualisierte Gewalt erschwert und vereinnahmt.
Im zweiten Teil von „OpferMacht“ wendet Kellner sich den Systemen zu, die sexualisierte Gewalt ermöglichen und aufrecht erhalten. Den Begriff der ‚rape culture‘ erkundet Kellner genauer und nimmt dabei Bezug auf Beispiele, die in der deutschen Öffentlichkeit in den letzten Jahren Aufmerksamkeit erfahren haben. Schließlich geht die Autorin auf die sexualisierte Gewalt in linken Strukturen ein und gibt Anregungen für cis Männer, die sich mit der eigenen (potentiellen) Täterschaft auseinandersetzen und im Kampf gegen sexualisierte Gewalt unterstützen wollen.
Die Frage nach Privilegien und Diskriminierungserfahrungen sowohl von Betroffenen als auch Täter*innen durchzieht das Buch - und Kellner stellt sich immer wieder die Frage, wie intersektionale Umgangsweisen mit sexualisierter Gewalt aussehen können.
Kritisch anmerken wollen wir hier, dass vor allem der Einstieg ins Buch sehr voraussetzungsreich und sprachlich akademisch ist. Auch wenn die Autorin die Abkürzung FLINTA verwendet, bleibt der Fokus des Buches eindeutig eine cis weibliche Perspektive. Gleichzeitig macht Nora Kellner immer wieder deutlich, wo im Schreibprozess Fragen und Widersprüche aufgetreten sind - und warum das Sprechen über sexualisierte Gewalt davon abgesehen nötig und wichtig ist.
 

Verlagsbeschreibung: